Der Knuddelfaktor

Ob knuffige Tiere oder Kleinkinder: Niedliche Gesichter verändern die Signalverarbeitung im Gehirn und beruhigen sogar die Hände. Sie machen Menschen aber auch manipulierbar.

Das Spiel »Doktor Bibber« ist ein Klassiker. Seit den 1960er Jahren hat es in hunderttausenden Kinderzimmern einen Stammplatz. Ein Erfolg, zu dem sicher auch die einfachen Regeln beigetragen haben: Die Spielerinnen und Spieler müssen mit einer Pinzette Knochen, Organe oder Fremdkörper aus den Wunden eines Patienten aus Kunststoff entfernen. Allerdings benötigen sie dazu eine ruhige Hand. Berühren sie die Ränder der verletzten Stelle, ertönt ein Summton – die OP ist missglückt.

Nicht nur für Kinder ist das eine ziemliche Herausforderung. Dabei lässt sich die Feinmotorik womöglich mit einem simplen Trick entscheidend verbessern: Dazu muss man sich bloß vor dem chirurgischen Eingriff Fotos von Hundewelpen oder jungen Kätzchen ansehen. In diese Richtung deuten zumindest die Ergebnisse eines Experiments, das die US-Wissenschaftler Gary Sherman, Jonathan Haidt und James Coan vor einigen Jahren durchgeführt haben. Darin spielten Männer und Frauen zunächst eine Runde »Doktor Bibber« und bekamen danach Bilder süßer Tierbabys gezeigt. In einem zweiten Durchgang operierten sie daraufhin deutlich erfolgreicher. Waren auf den Fotos hingegen ausgewachsene Hunde und Katzen zu sehen, verbesserten sich die Versuchspersonen anschließend kaum.

Doch warum lässt der Anblick tapsiger Jungtiere Menschen präziser mit der Pinzette hantieren? Sherman und seine Kollegen vermuten, dass die Fotos den »Kümmerinstinkt« ansprechen. Gleichzeitig machen sie vorsichtiger, so dass man sich tatsächlich besser um ein zerbrechliches Wesen kümmern kann. »Die Zärtlichkeit, die durch etwas Niedliches ausgelöst wird, ist mehr als nur ein positiver Gefühlszustand«, schreiben die Forscher. »Sie kann Menschen buchstäblich zarter in ihren körperlichen Bewegungen machen.«

(erschienen auf Spektrum.de)

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