In den sozialen Medien gibt es weder Misserfolg noch Unglück; die Welt auf Instagram und Facebook ist immer rosarot. Was macht das mit uns?
Wer möchte nicht mit Murad Osmann tauschen? Der russische Fotograf bereist die schönsten Flecken der Erde. Weltweit verfolgen mehr als vier Millionen Menschen über die Smartphone-App Instagram seine Aufnahmen. Diese folgen alle demselben Muster: Vom unteren Rand ragt stets Osmanns linke Hand ins Foto, an der ihn seine bildhübsche Frau zu den immer wieder neuen touristischen Highlights führt. Sein Gesicht ist nie zu sehen. Dennoch ist Osmanns eigentliches Motiv er selbst.
Für den Kölner Mediendesigner Daniel Reuber ist diese fotografische Masche ein gefundenes Fressen. In einem nachgestellten Instagram-Post zeigt er aus Osmann-Perspektive eine junge Frau, die einen Mann durch den rheinischen Schneematsch Richtung Arbeitsagentur zerrt. Reubers ironische Empfehlung: Sei wie Murad.
Der 24-Jährige hat für seine Bachelor-Arbeit rund 40.000 Instagram-Fotos analysiert. Dabei ist er immer wieder auf die selben Themen gestoßen: Gebräunte Beine am weißen Sandstrand. Schmackhafte Lebensmittel, appetitlich drapiert. Partystimmung mit Freunden. Zwei Dinge haben die geposteten Bilder unabhängig vom Thema gemeinsam: Sie wirken wie spontane Schnappschüsse, obwohl sie in der Regel mehr oder weniger gestellt sind. Und sie berichten fast ausschließlich von den schönen Momenten im Leben.
Reuber kontert in seiner Arbeit mit sarkastischen Gegenentwürfen. Auf seinen Bildern sieht man angekohlte Pommes zur Currywurst (statt kunstvoll angerichteten Sushis) und Selfies übellauniger Zeitgenossen (statt fröhlich lächelnder Gesichter). „Ich möchte mit meinen Fotos zeigen, wie sehr sich der Hang zur Selbstinszenierung inzwischen in unseren Alltag eingeschlichen hat“, sagt er. Er findet es bedenklich, wenn Menschen ihren Tagesablauf danach planen, welche tollen Fotos sie hinterher posten können.
Wer diese Inszenierungen für bare Münze nimmt, läuft Gefahr, sein eigenes Leben für wenig attraktiv zu halten. Instagram lade dazu ein, sich mit anderen zu vergleichen, stellt Reuber fest. Seine Beobachtung: „Das kann unzufrieden machen.“ In seiner Arbeit hat er mehr als 150 Personen zu ihrer Instagram-Nutzung befragt. 40 Prozent von ihnen gaben an, beim Betrachten geposteter Bilder Neid zu verspüren.
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