Neuer Ansatz zur Bekämpfung von Kontaktallergien

Forscher der Universität Bonn haben ein Molekül isoliert, das sich augenscheinlich zur Bekämpfung von Kontaktallergien eignet. Gleichzeitig wirft die Studie ein neues Licht auf einen zentralen Immunmechanismus, der auch bei Krankheiten wie Rheuma oder der Arteriosklerose eine Rolle spielt. Die Studie erscheint in Kürze in der Zeitschrift Molecular Therapy, ist aber bereits online abrufbar.

Wissenschaftler der Universität Bonn haben einen neuen Wirkstoff entwickelt, der bei Mäusen Kontaktallergien abmildern kann. (c) freestocks.org / Unsplash
Wissenschaftler der Universität Bonn haben einen neuen Wirkstoff entwickelt, der bei Mäusen Kontaktallergien abmildern kann. (c) freestocks.org / Unsplash

Bei dem neuen Wirkstoff handelt es sich um ein so genanntes RNA-Aptamer. Aptamere sind Moleküle, die mit der Erbsubstanz DNA verwandt sind. Sie können sehr spezifisch an bestimmte Zielstrukturen von Proteinen binden und diese dadurch blockieren.

„Unser Aptamer greift in die Kommunikation zwischen zwei wichtigen Typen von Immunzellen ein – den T-Zellen und den dendritischen Zellen“, erklärt Prof. Dr. Irmgard Förster. Die Wissenschaftlerin forscht am LIMES-Institut der Uni Bonn zum Thema „Immunologie und Umwelt“. Sie ist zudem Mitglied des Exzellenzclusters „Immunosensation“, das einen wichtigen Schwerpunkt der immunologischen Forschung in Deutschland bildet.

Zu Allergien kommt es, wenn die Immunabwehr unkontrolliert gegen an sich harmlose Stoffe aus der Umwelt reagiert. Die dabei entstehenden Schäden sind unter anderem ein Werk der T-Zellen. Diese körpereigenen „Killer-Truppen“ sind eigentlich dazu da, kranke Zellen abzutöten – etwa solche, die von Viren befallen wurden. Ihr Einsatz wird von den so genannten dendritischen Zellen dirigiert: Diese patrouillieren durch den Körper und suchen nach Anzeichen eines Infekts. Werden sie fündig, rufen sie die T-Zellen zu sich und erteilen ihnen den Marschbefehl.

Ihr „Ruf“ besteht dabei aus körpereigenen Lockstoffen, den Chemokinen. Im Menschen gibt es knapp 50 verschiedene dieser Signalsubstanzen. Eine davon ist das CCL17. Es wird im Alarmfall von den dendritischen Zellen abgegeben. T-Zellen verfügen über einen Rezeptor, der CCL17 „erschnüffeln“ kann – den CCR4-Rezeptor. So können sie dem Signal bis zu seiner Quelle folgen.

„Uns ist es gelungen, ein Aptamer zu produzieren, das spezifisch an CCL17 bindet“, erklärt Prof. Förster. „Es verhindert so, dass CCL17 an den CCR4-Rezeptor andockt. Dadurch konnten wir die Wanderung der T-Zellen zu den dendritischen Zellen teilweise unterbinden. Mäuse, die wir mit dem Aptamer behandelt hatten, zeigten daher weitaus schwächere Entzündungsreaktionen gegen ein Kontaktallergen.“

Zwei Chemokine stimulieren den selben Rezeptor

Dass die Bindung von CCL17 an den CCR4-Rezeptor bei Allergien eine wichtige Rolle spielt, war bekannt. Andere Arbeitsgruppen hatten daher bereits versucht, den CCR4-Rezeptor (die „Nase“ der T-Zellen) zu hemmen. Erstaunlicherweise hatte diese Strategie aber keinen Erfolg – im Gegenteil: Die allergische Reaktion fiel in Tests zum Teil noch stärker aus.

Möglicherweise hängt das mit einer Besonderheit des Rezeptors zusammen. Dieser lässt sich nämlich noch durch mindestens ein anderes Chemokin aktivieren – das CCL22. CCL22 scheint bei seiner Bindung an CCR4 aber eine andere Wirkung zu entfalten als CCL17: Die Forscher spekulieren, dass CCL22 oder eventuell auch andere Chemokine die Immunreaktion abschwächen – nicht wie CCL17 stimulieren. Wenn man den kompletten Rezeptor blockiert, kann die allergische Reaktion daher sogar noch zunehmen.

„Mit Aptameren lassen sich solche Mechanismen sehr differenziert aufklären“, betont Prof. Dr. Günter Mayer, der die Studie zusammen mit Prof. Förster geleitet hat. Mayer führt am LIMES-Institut das Zentrum für Aptamer-Forschung und -Entwicklung. „Wir können heute vergleichsweise einfach und schnell Aptamere herstellen, die ganz spezifisch gegen bestimmte Zielstrukturen wirken“, sagt er. Der jetzt gefundene Wirkstoff ist dafür ein gutes Beispiel: Schon in geringsten Mengen blockiert er das CCL17 fast vollständig, während er das CCL22 komplett ignoriert.

Die Studie wirft einen differenzierten Blick auf einen wichtigen Immunmechanismus: Der Kommunikationsweg zwischen T-Zellen und dendritischen Zellen spielt nicht nur bei Allergien eine Rolle, sondern auch bei Autoimmun-Erkrankungen wie Rheuma oder entzündlichen Gefäß-Veränderungen wie der Arteriosklerose. Die Forscher wollen daher nun ein Aptamer gegen menschliches CCL17 entwickeln. Der aktuelle Wirkstoff funktioniert nämlich nur bei der Maus.

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