Dass weibliche Wespenspinnen zahlreiche Sexualkontakte haben, können ihre männlichen Artgenossen nicht verhindern. Wohl aber, dass aus diesen Tête-à-têtes mit den Rivalen Kinder hervorgehen: Die Spinnenmänner legen ihrer Partnerin bei der Begattung einfach einen Keuschheitsgürtel an.
Hat ein Wespenspinnen-Mann eine potenzielle Partnerin entdeckt, bringt er sie in Stimmung, indem er an ihrem Netz rüttelt. Das Weibchen stützt sich daraufhin hochbeinig vom Netz ab; der sehr viel kleinere Spinnenmann kann nun unter ihren Körper kriechen. Der Rest funktioniert hydraulisch: Ein mit Spermien gefüllter Taster am Kopf des Männchens klappt aus und rastet beim Weibchen in die Geschlechtsöffnung ein – ähnlich wie ein Skischuh in die Bindung.
Das Weibchen setzt dem Zusammensein meist schon nach einigen Sekunden ein Ende: Sie attackiert ihren Liebhaber und tötet ihn, wenn er nicht rechtzeitig flieht. „Wenn sich das Männchen vom Weibchen löst, bricht in mehr als 80 Prozent der Fälle die Spitze seines Genitals ab“, sagt die Bonner Privatdozentin Dr. Gabriele Uhl. „Die Spitze sitzt dann wie ein Korken in der Geschlechtsöffnung und verstopft sie.“
Zusammen mit ihrer Kollegin Professor Dr. Jutta Schneider und dem Verhaltensbiologen Stefan Nessler (beide inzwischen Universität Hamburg) hat Uhl nach einem Grund für die Genitalverstümmlung gesucht. „Grundsätzlich gibt es zwei Hypothesen“, erläutert sie. „Einerseits könnte das Abbrechen des Tasters dem Männchen dabei helfen, dem mordlustigen Weibchen zu entkommen. Andererseits könnte es sich um einen Mechanismus der Vaterschaftssicherung handeln, durch den weitere Kopulationen des Weibchens verhindert oder erschwert werden.“
Genitalspitze als „Korken“
Selbst bei einem Quickie überträgt ein Männchen genug Spermien, um sämtliche Eier seiner Partnerin zu befruchten. Kommt danach aber noch ein Konkurrent zum Zuge, konkurrieren seine Samenzellen bei der Befruchtung mit denen seines Vorgängers. „Die abgebrochene Tasterspitze könnte wie ein Keuschheitsgürtel einen nachfolgenden Geschlechtsverkehr verhindern“, erklärt Jutta Schneider. „Das erste Männchen würde so sicher stellen, dass alle Eizellen von ihm befruchtet werden und nicht von seinem Konkurrenten.“
Stefan Nessler hat in seiner Diplomarbeit an der Uni Bonn genauer untersucht, welche der beiden Hypothesen zutrifft. Resultat: Ob die Tasterspitze abbrach oder nicht, hatte keine signifikante Auswirkung auf die Überlebenschance des Männchens – sehr wohl aber auf die Dauer einer nachfolgenden Paarung mit einem anderen Männchen: Bei blockierter Geschlechtsöffnung war schon nach 8 Sekunden Schluss; ansonsten kopulieren Spinnenmänner doppelt so lang. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Blockade die Paarung zumindest erschwert“, betont Nessler. „Nach ersten morphologischen Untersuchungen verschließt die abgesprochene Spitze die Öffnung zudem so sicher, dass ein Samentransport weitgehend ausgeschlossen sein dürfte.“
Die Forscher konnten inzwischen zeigen, dass auch andere Wespenspinnenarten diesen „Verkorkungsmechanismus“ kennen. Ihnen allen ist gemein, dass das Weibchen ihren Partner beim Geschlechtsverkehr zu töten versucht. „Wir vermuten, dass Genitalverstümmelung nur dann sinnvoll ist, wenn ohnehin kaum eine Chance auf eine weitere Kopulation besteht“, erklärt Gabriele Uhl. „Die Männchen setzen dann alles auf eine Karte.“
Uhls Diplomand Martin Busch ist momentan einer ganz anderen Strategie auf der Spur, Konkurrenten am Geschlechtsverkehr zu hindern: Die Zwergspinne produziert in ihrem Paarungsorgan ein zähflüssiges Sekret, dass sie den Spermien hinterher schießt. Dieser Schleimpfropf verschließt die die weibliche Genitalöffnung so effektiv, dass Rivalen nicht mehr kopulieren können. Egal ob Schleimpropf oder Tasterspitze – die Eiablage bleibt von dem „Keuschheitsgürtel“ unbeeinflusst: „Dafür besitzen die Weibchen eine separate Öffnung“, betont die Bonner Privatdozentin. „Bei Spinnenarten mit nur einer Öffnung für Kopulation und Eiablage gibt es derartige Verhütungsstrategien nicht.“
(Pressemitteilung für die Universität Bonn)