Hunde scheinen ein wirksamer seelischer Puffer gegen soziale Ausgrenzung zu sein. Das zeigt zumindest ein Experiment, das Münchner Psychologen zusammen mit Kollegen aus den USA und England durchgeführt haben.
Der Bestseller-Autor Daniel Kehlmann hat einmal der Zeitschrift Vanity Fair gebeichtet, er sei im Sportunterricht immer als letzter in die Mannschaft gewählt worden. Er scheint diese Demütigungen ohne größere seelische Blessuren überstanden zu haben, auch wenn er, wie er an anderer Stelle verriet, früher gerne ein wenig cooler gewesen wäre.
Daniel Kehlmann mag Hunde; sein Mischling „Nuschki“ hat ihn jahrelang brav zu Interviews begleitet. Auch in Kehlmanns Büchern spielen die Vierbeiner eine prominente Rolle (es gebe zu viele Hunde bei ihm, soll einer seiner Lektoren einmal bemängelt haben). Und vielleicht ist es gerade diese besondere Beziehung zur Art Canis familiaris, die Kehlmann dabei geholfen hat, die Ausgrenzung auf dem Sportplatz besser zu ertragen.
Hunde scheinen nämlich in derartigen Situationen ein wirksamer seelischer Puffer zu sein. Das zeigt zumindest ein Experiment, das die Münchner Psychologin Dr. Nilüfer Aydin zusammen mit Kollegen aus den USA und England durchgeführt hat. Darin setzte die Wissenschaftlerin ihre Versuchspersonen einer ähnlichen Demütigung aus, wie sie Daniel Kehlmann beim Schulsport ertragen musste.
Aydin nutzte dazu ein simples Computerspiel namens Cyberball. Es wurde bereits vor mehr als zehn Jahren von US-Psychologen entwickelt, die damit die Effekte sozialer Ausgrenzung studieren wollten. Cyberball ist im Prinzip nicht mehr als ein einfaches Wurfspiel, bei dem die Spieler sich nicht zu Gesicht bekommen. Stattdessen sind sie über das Internet miteinander verbunden. Jeder Teilnehmer sieht auf dem Bildschirm drei Zeichentrickfiguren. Der Spieler in Ballbesitz kann per Mausklick entscheiden, welchem der beiden anderen er den Ball zuwerfen möchte.
Die knapp 70 Versuchsteilnehmer – allesamt Studenten der Ludwig-Maximiliams-Universität München – durften nun zunächst ein paar Minuten Cyberball spielen. Was sie dabei nicht wussten: Die gesamte Spielsituation war abgekartet. Einige der Probanden erhielten anfangs zweimal den Ball und dann nie wieder; sie wurden also systematisch ausgegrenzt. Andere wurden dagegen bis zum Schluss regelmäßig angespielt.
Eine Reihe von Studien hat gezeigt, dass Ausgrenzung selbst bei einem so einfachen Spiel ziemlich auf die Laune drücken kann. Teilnehmer, die von ihren Mitspielern geschnitten wurden, gaben danach in Umfragen beispielsweise oft ein geringeres Selbstwertgefühl zu Protokoll. Auch in dem Münchner Experiment mussten die Studenten nach 30 Ballwechseln diverse Fragebögen zu ihrer Befindlichkeit ausfüllen. Dabei war in manchen Fällen zusätzlich zur Versuchsleiterin eine kleine Malteser-Hündin namens Lilli im Raum anwesend. (Die Studenten waren zuvor gefragt worden, ob sie unter Hundeangst oder einer Haar-Allergie litten.)
Ergebnis: Selbstwertgefühl, Lebenszufriedenheit und das Gefühl, sozial anerkannt zu sein, waren bei den ausgegrenzten Versuchspersonen signifikant geringer ausgeprägt als bei den Studenten in der Kontrollgruppe. Das galt erstaunlicherweise aber nur, wenn beim Ausfüllen der Fragebögen kein Hund in Sichtweite gewesen war. „Die bloße Anwesenheit eines Hundes reichte in unserem Experiment aus, um den Effekt sozialer Ausgrenzung nicht nur abzuschwächen, sondern sogar völlig zu nivellieren“, betont Aydin. Das traf sogar für Teilnehmer ohne eigene Haustiere zu, also solche, bei denen man zunächst einmal keine allzu ausgeprägte Tierliebe vermuten würden.
Professor Dr. Reinhold Bergler von der Forschungsgruppe „Psychologie der Mensch-Tier-Beziehung“ findet zumindest diesen letzten Aspekt überraschend: „Wir wissen zwar, das Hundebesitzer gegenüber Alltagsstressoren unempfindlicher sind“, sagt er. So könnten Hunde durch Momente der Freude einen Gegenpol zu den Kränkungen des Alltags schaffen. „Das gilt aber nach unseren Studien nur, wenn die Halter eine gute Beziehung zu ihren Tieren haben.“
Der Hund als „sozialer Snack“
Nilüfer Aydin sieht in ihrem Experiment jedoch einen tiefer liegenden psychologischen Mechanismus am Werk. „Wir alle haben ein starkes Bedürfnis danach, dazu zu gehören“, sagt sie. „Das ist ein Leitmotiv menschlichen Lebens. Wenn wir uns ausgegrenzt fühlen, schauen wir uns halt um, wo wir soziale Akzeptanz erfahren können.“ Zum Beispiel bei der Malteser-Dame Lilli. In dieser Situation spielt es dann auch keine große Rolle, ob derjenige, der sich ausgegrenzt fühlt, Hunde überhaupt mag. Es reicht, wenn er meint, der Hund möge ihn.
Für diese These spricht auch die Beobachtung, dass Lilli nicht allgemein für bessere Laune bei den Studenten sorgte. Nur diejenigen, die zuvor beim Cyberball von ihren Mitspielern links liegen gelassen worden waren, profitierten emotional von der Anwesenheit der Malteser-Hündin. Psychologen sprechen auch von einem ’sozialen Snack‘, den sich die nach Akzeptanz hungernden Versuchsteilnehmern zu Gemüte führten.
Möglicherweise eignen sich Hunde besonders gut als soziale Zwischenmahlzeit. Schließlich gelten sie sprichwörtlich als die besten Freunde des Menschen. Selbst Frauen und Männer, die mit den Vierbeinern eigentlich rein gar nichts am Hut haben, kennen diesen Slogan. Eventuell ist es also ihr Image als Quelle bedingungsloser Akzeptanz, über das Hunde ihre Pufferwirkung gegen soziale Ausgrenzung entfalten. Nilüfer Aydin: „Ich weiß nicht, ob eine Intervention mit einer Katze oder einem Wellensitich dieselben starken Effekte ausgelöst hätte.“
Hunde sind eben etwas Besonderes. Das schrieb übrigens nicht Daniel Kehlmann. Sondern schon Konrad Lorenz.